Donnerstag, 21. Februar 2008

Die sechste Woche

Normalerweise spricht man ja vom verflixten siebten Jahr, aber in meinem Fall war es eine verflixte sechste Woche. Man hatte mir ja schon im Vorfeld prognostiziert, dass ich vermutlich irgendwann einen Hotel- oder gar Inselkoller bekommen wuerde et voila - er kam, zwar spaeter als gedacht aber kaum weniger heftig. Aller Unkerei zum Trotz kann ich jedoch vermelden, dass er nur eine Woche andauerte und demzufolge fast so schnell vorbeizog wie unsere juengste Unwetterfront, die uns genau in dieser Woche Regen, Starkwind und einen Kaelteeinbruch bescherte.

Es begann am Montag nach unserem "Kurzurlaub". Ich kam frohgemut ins Klassenzimer, um Marys Berichten aus England zu lauschen und sah nur das lange Gesicht von Alexia, die wortlos auf die Tafel zeigte: "Mary ist krank. Ich habe einen Test fuer Euch vorbereitet und sehe Euch um 11:00 Uhr. Angie." Nun gut, Tests am Montag morgen waren wir ja gewohnt, also machten wir uns frohgemut ans Werk. Angie unterrichtet normalerweise die angehenden Lehrer, so dass der Unterricht mit ihr kurzweilig und interessant war. Es hiess, dass Mary am Mittwoch zurueck sei, also machten wir uns erstmal keine Gedanken.

Dienstag morgen betrat ein neues Gesicht unser Klassenzimmer. Da Angie sich wieder um die angehenden Lehrer kuemmern musste, hatte man Christine als Ersatz auserkoren. Vom Aussehen erinnerte sie mich ein wenig an Camilla Parker-Bowles vor 10 Jahren, von ihren paedagigischen Faehigkeiten eher an die Steinzeit... Da sie normalerweise die Studenten fuers First Certificate unterrichtet, machten wir gute Mine zum boesen Spiel. Sie hatte tatsaechlich ein paar gute Tipps fuer uns und es war ja nur fuer einen Tag. Mittags hatte sie einen anderen Studenten zu unterrichten, so dass wir wieder einen Test geschrieben haben. So weit so gut.

Bereits leicht nervoes wurden wir, als Christine am Mittwoch morgen erneut das Klassenzimmer betrat. Mary sei immer noch krank, kaeme aber am Donnerstag sicher wieder. Da man uns Mittags nicht schon wieder einen Test in Stillarbeit geben wollte, sollten wir um 13:00 Uhr Sandro bekommen, um uns auf den Speaking-Test vorzubereiten. Was man uns verschwieg war, dass Sandro aktuell eine Klasse fuers First Certificate unterrichtet und man uns dort schlicht und ergreifend parken wollte. Ein Blickwechsel zwischen Alexia und mir genuegte um zu wissen, dass das fuer uns beide nicht in Frage kam. Also holten wir uns ein Buch mit "Past Papers" von der Direktorin und versuchten uns alleine in der Vorbereitung. Die gedruckten Anweisungen sind ja klar genug und ein bischen Praxis sollte uns das allemal geben. Am naechset Tag sollte ja Mary zurueck sein...

... dachten wir. Auch am Donnerstag Morgen begruesste uns Christine mit unglueklichem Gesicht. Wahrscheinlich wurde ihr so langsam klar, dass sie uns nun an der Backe haben wuerde und das ihre Faehigkeiten ein wenig ueberstieg. Das war jedenfalls rueckblickend mein Eindruck. Donnerstag morgen merkte ich davon noch nicht viel. Da nicht klar war, wie lange Mary krank bleiben wuerde, begann Christine nun endlich, eine Art Konzept aufzustellen. Sie fragte uns, was wir noch ueben muessten (endlich interessierte sich mal wieder jemand dafuer) und wollte eine Kostprobe unserer bisherigen Aufsaetze haben. Und damit fing das Dilemma an. Ohne die Aufgabenstellung zu kennen, kritisierte sie einen meine Aufsaetze (laut Mary bislang mein bester und ihres Erachtens ein "A"), korrigierte wild Marys Korrekturen (ohne -wie auch ich zunaechst- zu merken, dass sie in Wirklichkeit Mary korrigierte, die wie ich nur in Bleistift geschrieben hatte) und erklaerte mit einem Augenrollen, dass wir noch sehr viel zu lernen haetten. Richtig gut fuer unsere Moral! Schon dort haette ich mich fragen sollen, was das fuer eine Lehrerein ist, die eine Lehrerin korrigiert, die normalerweise die proficiency Studenten unterrichtet. Aber man soll ja ruhig bleiben und schliesslich war alles, was wir wollten, nur ein regelmaessiger Unterricht.

Und dann begann die Sache, ein wenig aus dem Ruder zu laufen. Fuer Mittags hatte man uns wieder eine neue Lehrerin (die vierte diese Woche) angekuendigt. Da die Cambridge-Kurse, jedenfalls so wie man uns das anfangs gesagt hatte, Unterricht immer von 09:00-10:30, 11:00-12:30 und 13:00-14:30 Uhr haben, haette diese Stunde um 13:00 Uhr anfangen sollen. Abweichend davon hatten die anderen Klassen an dem Tag die letzte Pause zwischen 13:00 Uhr und 13:30 Uhr, da diese noch Unterricht vom Montag nachzuholen hatten. Christine packte also frohgemut um 12:30 Uhr ihre Sachen ein und wir warteten bis 13:15 Uhr vergeblich auf unsere neue Lehrerein. Schliesslich ging ich zur Direktorin und fragte, ob man uns vergessen hatte. Was folgte war eine Endlos-Diskussion ueber Unterrichtszeiten, ausfallende Worte mit anschliessender Entschuldigung seitens der Direktorin (die anscheinend von Mary nicht ueber die uns von Anfang an mitgeteilten abweichenden Unterrichtszeiten informiert worden war) und die berechtigte Frage (der Direktorin), warum Christine uns nicht bis 13:00 Uhr unterrichtet hat, "da sie ja die normalen Unterrichtszeiten kennt". Die abschliessende Frage, ob wir Christine als Lehrerin behalten wollten, hatte fuer mich zu dem Zeitpunkt nur rhetorischen Charakter, so dass ich sie wahrheitsgemaess und ohne nachzudenken mit Ja beantwortete. Alles, nur nicht schon wieder eine neue Lehrerin. Trotz ihrer paedagogischen Defizite hatte sie uns schliesslich etliche wertvolle praktische Tipps fuers Examen geben koennen.

Als ich zurueck im Klassenzimmer war, hatte Fred schon mit dem Unterricht angefangen. Sie ist aus Bristol, teilweise etwas schwer zu verstehen aber ansonsten schwer in Ordnung. Und sie sollte unsere Lehrerein bleiben, da Christine am Freitag morgen das Handtuch warf, nachdem ich ihr (auf ihre Aufforderung) von der Diskussion mit der Direktorin am Vortag berichtet hatte. Fuer mich kam das ziemlich ueberraschend und unverstaendlich (denn ich hatte tatsaechlich kein einziges negatives Wort ueber Christine von mir gegeben), aber ich gehe inzwischen davon aus, dass die Frage der Direktorin vom Vortag darauf abzielte, dass Christine sich ueberfordert gefuehlt hat und man ganz simpel einen Grund brauchte, uns einen neuen Lehrer zu geben.

Fazit: Wie ich schon von anderen Studenten gehoert habe, hat die Schule deutliche organisatorische Defizite wenn etwas nicht ganz wie geplant laueft. So scheut man sich, wie mir von mehreren Studenten unabhaengig voneinander berichtet wurde, z.B. in den "normalen" Kursen nicht, Studenten ganz offensichtlich in das falsche Niveau einzustufen, um Klassen vollzubekommen oder Ueberhange zu vermeiden. Wenn Studenten das bemerken werden sie mit dem Argument ruhiggestellt, dass sie erstmal den Rest der Woche abwarten und sich alles in Ruhe anschauen sollen. Da viele nicht ausreichend Englisch sprechen koennen, bleibt es dann dabei.

Ergo: Versucht Euch in jedem Fall schon vor Eurem Aufenthalt darueber klar zu werden, in welchem Niveau Ihr seid. Ach ja: Und es gibt hier Konversations- und Grammatikkurse, etwas, was Euch auch nicht gleich auf die Nase gebunden wird (man will schliesslich keine zwei halbvollen Klassen). Also ueberlegt Euch auch vorher, wo Ihr Euren Schwerpunkt setzen wollt. Wenn Ihr etwas zu beanstanden habt, macht es gleich und deutlich. Das mag zwar fuer die Direktorin oder den einen oder anderen Lehrer etwas unangenehm sein, aber schliesslich ist es Euer Geld, das sie verdienen.

Wir haben jedenfalls seit Freitag vormittag eine neue Lehrerin. Fred legt sich richtig fuer uns ins Zeug, um die verschwendete Woche zumindest halbwegs zu kompensieren. Sie ist bodenstaendig, paedagogisch wertvoll und sie kann zuhoeren! An ihren Dialekt gewoehnen wir uns langsam. Wir werden sie wohl bis zum Ende behalten, denn wie wir heute erfahren haben, liegt Mary im Krankenhaus und es ist derzeit nicht absehbar, wann sie entlassen wird.
Auch wenn ich Mary vermisse und ihr alles Gute wuensche, meine Laune ist spaetestens seit heute wieder ganz oben. Das Wetter ist wieder besser, unsere Lehrerein spitze und ich habe heute einen "beeindruckenden" Aufsatz zurueckbekommen. Was will man mehr?

Mittwoch, 13. Februar 2008

Freitag, 08.02. Urlaub im Urlaub

Mary wollte fuer ein verlaengertes Wochenende in ihre alte Heimat England, so dass wir die Wahl hatten, einen Vertretungslehrer zu bekommen oder den Tag in der letzten Woche nachzuholen. Wir entschieden uns fuer Letzteres und hatten dadurch einen Tag "holiday"!

Den Vormittag nutzte ich, um endlich meine Waesche wegzubringen und danach dem Palazzo Parisio in Naxxar einen Besuch abzustatten. Der Waschsalon hier ist echt praktisch, da man nicht die ganze Zeit neben der Maschine sitzen muss sondern ein freundlicher Bediensteter die Arbeit fuer einen erledigt. Ein paar Stunden spaeter kann man die saeuberlich zusammengelegte Waesche sauber wieder mitnehmen und sich (gegen einen geringen Aufpreis) sogar buegeln lassen.

Der Palazzo Parisio ist eine beeindruckende Wohnresidenz aus dem 18. Jh. mit einem wunderschoenen Barockgarten. Marmor, Moebel und (Moreno-)Glas wurden allesamt aus Italien eingeschifft. Ungluecklicherweise erlitt der stolze Erbauer auf der Eingangsschwelle einen Herzinfakt, gerade als er mit seiner Frau das neue Domizil beziehen wollte. Sie zog es daraufhin vor, doch in ihrer alten Residenz zu bleiben, so dass der Palast nie wirklich bewohnt wurde.

Mittags zogen dunkle Wolken auf und es begann, fuerchterlich zu regnen und zu stuermen. Schon seit Aschermittwoch war es deutlich kuehler geworden, so dass wir nun letztlich doch noch unsere Schlechtwetterfront bekamen, die (fast) den gesamten Januar ausgeblieben war. Ich machte gute Mine zum boesen Spiel, liess mein schickes Kleid zu Hause (es war wirklich nichts fuer kurze Aermel) und ging in abends in "normalem" Outfit ins Manoel Theater - wie auch Sylvia und Maria (warum habe ich nur meinen Blazer zu Hause gelassen?). Unsere Entscheidung erwies sich als goldrichtig, das das Theater offensichtlich nicht geheizt wird.

Das Stueck selbst war klasse. "Glourious" handelt von der wahren Geschichte der amerikanischen Sopranistin Florence Foster Jenkins, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts grossen "Ruf" erlangte und regelmaessig vor ausverkauften Haeusern (zuletzt sogar in der Carnegie Hall) spielte - obwohl sie keinen Ton so wirklich traf... Das Stueck war super umgesetzt und die Hauptdarstellerin wirklich brilliant - wir haben Traenen gelacht. Anders als bei Shakespeare war die Sprache modern und daher gut zu verstehen, nicht zuletzt Dank der klaren Aussprache aller Schauspieler. Ich bin wirklich froh, dass wir uns diesen Theaterbesuch gegoennt haben.

Da bin ich wieder

Nein, die Insel ist nicht untergegangen und ich bin auch nicht verschollen ;) Ich brauchte nur einfach mal eine Auszeit vom Internet und es war auch ziemlich viel los in den letzten 10 Tagen. Ich versuche mal, alles weitestgehend zusammenzufassen. Fotos fuege ich dann evtl. spaeter noch ein.

Samstag, 02.02.
Es hiess frueh aufzustehen, da wir bereits um 07:50 Uhr (sharply!) an der Schule sein mussten. Also haben wir uns im Fruehstucksraum nur schnell einige Brote geschmiert, was uns prompt einen missbilligenden Blick von einem anwesenden Ehepaar eingebracht hat. Deren Problem...

Nach einer fast einstuendigen Fahrt in einem sehr altersschwachen Bus (am steilsten Berg dachten wir fast, dass wir schieben muessten) ging es in einer herrlichen Ueberfahrt mit der Faehre nach Gozo. Sicher, ein halber Tag ist nicht wirklich viel fuer diese gruene Insel, die so ganz anders als die grosse Nachbarinsel ist. Dennoch haben wir viel gesehen.
Als Erstes ging es zur Gozo Heritage, einer Multimediashow ueber die jahrtausende waehrende Geschichte Gozos. Nett gemacht mit deutlich pronunziertem Englisch und daher gut zu verstehen. Ueber die praehistorische Tempelanlage von Ggantija (wie haben die nur all die Steine dorthin geschleppt?) ging es dann auf die andere Seite der Insel, wo wir eine Pause am Azure Window eingelegt und eine nette kleine Bootsfahrt entlang der dort liegenden kleinen Hoehlen gemacht haben. Anschliessend haben wir Gozos Hauptstadt einen Besuch abgestattet und die Citadella erkundet - den heutigen Stadtkern und einstige mittelalterliche Hauptstadt. Ein wenig hat sie mich an Mdina erinnert, wenngleich es in der Citadella nicht so ruhig ist und irgedwie auch 'unordentlicher' - an manchen Stellen stehen Ruinen und Baustellen. Den Abschluss unseres Tagesausfluges bildete ein Besuch der Hafenstadt Marsalforn (ich hoffe, das stimmt jetzt aus dem Gedaechtnis heraus), die allerdings nicht wirklich sehenswert ist.

Urspruenglich hatten wir ueberlegt, ob wir zum Karneval in Nadur bleiben, aber es war uns dann doch zu stressig. Zwar hatte meine Lehrerein uns grossherzig angeboten, uns um 22:30 Uhr an der Faehre abzuholen (Die Faehre verkehrt zwar 24 Stunden, nicht aber die Busse), aber auch das haette uns lediglich eine Stunde im Trubel der Menge gegeben. Also sind wir mit der Gruppe zurueck gefahren, was mir noch eine Flasche Wein beim abschliessenden Quiz einbrachte (es ist wirklich ein lucky year fuer mich).

Sonntag, 03.02.
Der Sonntag stand, nach einem geruhsamen Vormittag, ganz im Zeichen des Karneval. Um halb drei sollte der Umzug in Valletta losgehen und entsprechend vorher haben Silvia, Maria und ich uns am grossen Brunnen vor der Stadt getroffen. In der Republic Street war der Baer los. Wir sind hoch zur Mauer ueber dem Freedom Square gegangen und hatten recht schnell sher aussichtsreiche Plaetze in der zweiten Reihe. Aussichtsreich, weil vor uns einige aeltere Menschen standen, die es (erwartungsgemaess) bereits nach relativ kurzer Zeit hinunter in die Caffees zog, so dass wir aufruecken konnten. Die Show war grandios und ist kaum zu beschreiben. Abwechselnd zogen aufwendig gestaltete Wagen - sogenannte Carnival Floats - und verschiedene Tanzgruppen vorbei, die in Wahnsinnskostuemen ihre Shows dargeboten haben. Das Ganze dauerte geschlagene viereinhalb Stunden! Wir haben nach gut drei Stunden aufgegeben und uns das Finale auf dem Hotelfernseher gegoennt.

Dienstag, 05.02.
Abends war grosses Carneval-Finale angesagt, das ich mir natuerlich nicht entgehen lassen wollte. Die gesamte Carneval-Flotte zog ab 16:00 Uhr wieder ueber das Freedom-Square und von da aus weiter aus dem Stadttor hinaus in die 'Vorstadt' Floriana. Dort ging es den ganzen Abend die Alleenstrasse rauf und runter. Die Stimmung war unbeschreiblich. Selten habe ich so viele Menschen so ausgelassen feiern und tanzen sehen. Was mich besonders beeindruckt hat war, dass zwar insbesondere die Maenner durchaus Bierflaschen in den Haenden hielten, ich aber nichtmal eine Handvoll Besoffener gesehen habe und sich auch die Glasscherben sehr in Grenzen hielten - in Deutschland inzwischen leider weitestgehend undenkbar. Erst um zehn konnte ich mich losreissen. Zurueck im Hotel war ich doch etwas durchgefroren und habe mich ueber einen heissen Tee gefreut (so ein Wasserkocher im Zimmer ist echt praktisch).